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Melanie Siegenthaler, Lernende Betreibungsamt

Melanie Siegenthaler (21) hat während ihrer dreijährigen KV-Lehre auf dem Betreibungsamt in Burgdorf so einiges erlebt. Unter anderem auch, wie sie mit Menschen in schwierigen Lebenssituationen umgeht, welche Möglichkeiten sie ihnen aufzeigen kann und dass sie sich zuweilen abgrenzen muss. 

«Morgens um 7 Uhr bin ich noch im Zug. Mein Arbeitsweg dauert 45 Minuten. Ich wohne in Schwarzhäusern, das ist in der Nähe von Langenthal, und fahre nach Burgdorf, wo ich diesen Sommer beim Betreibungsamt meine dreijährige KV-Lehre abgeschlossen habe und ab September eine Festanstellung haben werde. Am Morgen laufe ich vom Bahnhof zum Verwaltungszentrum Neumatt, kaufe mir unterwegs noch ein Gipfeli, spätestens um 8 Uhr bin ich schon voll am Arbeiten.

Nach der Schule habe ich zunächst einen komplett anderen Weg als den nun eingeschlagenen gewählt: Ich habe den gestalterischen Vorkurs absolviert und anschliessend ein einjähriges Praktikum als Grafikerin in Winterthur gemacht. Es war aber sehr schwer, anschliessend eine Lehrstelle als Grafikerin zu finden, und so habe ich mich für einen anderen Weg entschieden. Ich habe mich beim Betreibungsamt in Burgdorf beworben und die Stelle bekommen. Ich habe mir damals gesagt: Da läuft was, das könnte spannend werden. Und jetzt, nach drei Jahren kann ich sagen: So ist es!

Das erste Lehrjahr habe ich auf der Kanzlei verbracht. Dort werde ich auch ab September arbeiten. Das ist jener Ort, wo das Betreibungsverfahren eingeleitet wird. In der Schweiz kann jede Person eine andere betreiben. Auf der Kanzlei des Betreibungsamtes haben wir viel mit Zahlungsbefehlen zu tun. Die Schuldner informieren wir darüber, wie sie vorgehen müssen, was die Fristen und was ihre Möglichkeiten sind. Die Gläubiger wiederum wollen wissen, wie sie ein Betreibungsverfahren einleiten und was sie dabei berücksichtigen müssen, oder aber auch, wie sie ein solches wieder rückgängig machen können. Diese Arbeit hat viel mit Recht zu tun, mit dem Schuld-, Betreibungs- und Konkursrecht.

Im zweiten Lehrjahr habe ich ein halbes Jahr beim Konkursamt in Langenthal gearbeitet. Da war ich mehr draussen bei den Leuten. Wenn beispielsweise eine Firma Konkurs geht oder eine Privatperson Konkurs anmeldet oder wenn Erben den Nachlass ausschlagen, so müssen wir herausfinden, welches Geld in die Konkursmasse fliesst. Zu diesem Zweck gehen wir vor Ort, um uns ein Bild der Besitzstände zu machen. Da geht es nicht darum, in jede Schublade zu blicken. Die Schuldner sind verpflichtet, uns nach Treu und Glauben Auskunft zu geben. Wenn wir beispielsweise nach dem Auto vor der Haustür und deren Wert fragen, müssen sie uns darüber Bescheid geben. Es kam auch vor, dass ich zusammen mit der zuständigen Sachbearbeiterin des Konkursamtes in die Wohnung einer verstorbenen Person gegangen bin. Die Wohnung war noch genauso, wie sie die verstorbene Person zurückgelassen hatte, fast so, als würde sie gleich zurückkommen.

Ich habe schon früh gelernt, mich nicht einschüchtern zu lassen. Schon während meines ersten Lehrjahres habe ich auch am Schalter gearbeitet und hatte direkten Kundenkontakt. Es kann vorkommen, dass die Menschen aufgrund unserer Entscheide aggressiv sind. Manchmal sind sie hässig auf sich und die Wut legt sich mit der Zeit. Wurde es brenzlig, stand mir sofort ein Berufsbildner, eine Praxisbildnerin oder ein Vorgesetzter zur Seite. Wir können auch die Polizei rufen. Später, im zweiten Lehrjahr, als ich in der Pfändungsabteilung gearbeitet habe, hatte ich natürlich auch mit Menschen zu tun, die in schwierigen Lebenssituationen sind. Da kommen die Menschen zwecks Vollzug einer Pfändung zu uns an den Schalter. Wir schauen ihre Lebenssituation an und wir rechnen zusammen aus, wieviel ihres Lohnes gepfändet werden kann, wie hoch die Auslagen für Miete, Krankenkasse etc. sind. Es geht darum zu schauen, was alles gepfändet werden kann, um das Existenzminimum der Person zu berechnen. Da gibt es sicher Leute, die mir leidtun, weil sie in diese Situation hineingeschlittert sind. Es gibt aber auch andere, die nicht unbedingt nichts dafürkönnen, wenn ich das so sagen darf. Doch bei meiner Arbeit muss man sich auch abgrenzen können. Das Recht gibt uns vor, was wir tun können. Alle Personen werden gleichbehandelt.

Auch wenn man was Anderes denken könnte: Das Coronavirus hat bisher nicht zu mehr Betreibungen und Konkursen geführt. Das Virus hat aber meine Arbeitsweise durch die Umstellung auf Homeoffice im vergangenen Jahr völlig verändert. Wir Lernende hatten gute Berufs- und Praxisbildnerinnen die sich sehr gut um uns gekümmert haben. Ab Juli des vergangenen Jahres habe ich wieder im Büro gearbeitet. Von Februar bis Juli dieses Jahres habe ich auf der Buchhaltung des Betreibungsamtes gearbeitet. Meine dreijährige KV-Lehre war sehr vielseitig. Nebst den Wirtschafts- und Rechtsthemen habe ich auch viel über die anderen Direktionen und deren Arbeiten gelernt.

Als mir meine Vorgesetzten ein Jobangebot gemacht haben habe ich nicht lange gezögert: Ich werde sehr gern auf dem Betreibungsamt in Burgdorf weiterarbeiten. Jedoch werde ich das ab September nur Teilzeit zu 50 Prozent tun, da ich noch die Berufsmaturität Soziale Arbeit in Angriff nehmen werde. Mein Ziel ist es, mich irgendwann einmal in der Jugendarbeit zu engagieren. »

Aufgezeichnet von Catherine Arber

Bild: Adrian Moser

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