Mischa Marti (45) weiss als Erster, wie es um die aktuelle Personalsituation an den Berner Schulen steht. Denn er liefert die Zahlen und Fakten dazu. Manchmal sind dafür aufwendige Recherchen notwendig. Ein Tool, das er derzeit entwickelt, soll zukünftig bessere Prognosen ermöglichen.

«Um 7 Uhr sitze ich mit meiner Familie am Frühstückstisch – der Morgen ist jeweils nach dem Programm unserer drei Kinder getaktet. Danach gehe ich kurz mit dem Hund spazieren und fahre anschliessend mit dem Velo von meinem Wohnort Mittelhäusern nach Bern. Das dauert rund eine halbe Stunde.
Mit der Arbeit beginne ich etwa um 8 Uhr. Wenn ich von zu Hause aus arbeite – an zwei Halbtagen pro Woche –, ist es etwas früher. Zuerst beantworte ich meine E-Mails. Zurzeit nimmt dies mehr Zeit als gewöhnlich in Anspruch, denn die Bildungs- und Kulturdirektion erhält viele Medienanfragen zum Lehrpersonenmangel. In diesem Zusammenhang mache ich viele Zahlenrecherchen und verschiedene Auswertungen, die ich dann dem Kommunikationsverantwortlichen liefere. Ich recherchiere zum Beispiel zum Personalbestand oder zu den aktuellen und zukünftigen Pensionierungen. Einige Informationen lassen sich aus dem HR-Cockpit der Abteilung für Personaldienstleistungen gewinnen. Unterstützung erhalte ich auch vom Amt für Kindergarten, Volksschule und Beratung. Wir sprechen uns jeweils ab, wer welche Frage beantwortet.
Manchmal braucht es vertiefte Recherchen, um eine Medienanfrage zu beantworten. Dann suche ich nach Informationen in der Fachliteratur oder werte zusätzlich Daten des Bundesamts für Statistik aus. Zum Beispiel, wenn es um die Frage geht, wie lange Lehrpersonen nach ihrem Abschluss im Beruf verbleiben. Im Kanton Bern machen sie dies im Vergleich zu anderen Kantonen auf der Volksschulstufe übrigens überdurchschnittlich lange. Ich finde diese Recherche- und Auswertungsarbeit spannend. Auch weil das Resultat rasch sichtbar ist: Man liest in den Medien, was man am Tag vorher recherchiert hat, und sieht, wie darauf reagiert wurde.
Derzeit bin ich daran, ein digitales Tool aufzubauen, das die wichtigsten Kennzahlen zu Pensionierungen, zur aktuellen Wirtschaftslage, zu den Beschäftigungsgraden, zur Anzahl Absolventinnen und Absolventen der Pädagogischen Hochschule, zur Anzahl Schülerinnen und Schüler sowie zu den Klassengrössen und vielem mehr enthält. Ziel ist es, ein Monitoring zu etablieren, damit Vergleiche möglich sind und Entwicklungen aufgezeigt werden können.
Mit dem Kennzahlen-System werden wir schneller eine gute Übersicht haben und besser abschätzen können, wie sich die Lehrpersonenzahl entwickelt. Etwas plakativ ausgedrückt, sollten wir dann sagen können, wann der Lehrpersonenmangel zu Ende ist. Wobei punktgenaue Vorhersagen auch mit dem neuen Tool nicht möglich sein werden. Denn es spielen viele Faktoren eine Rolle. Faktoren, die plötzlich neu dazu kommen. Wir haben es in der Coronapandemie oder mit dem Krieg in der Ukraine gesehen, wie schnell sich eine Situation verändert. Es gibt jedoch Zahlen, die eher einfach vorherzusagen sind. So können wir heute sagen, dass sich die durchschnittliche Zahl der Pensionierungen ab den Jahren 2028/2029 nach unten bewegen wird, und gemäss dem Bundesamt für Statistik nimmt die Zahl der PH-Studierenden kontinuierlich zu. Hingegen ist die Zahl der Abschlüsse sehr volatil. Ein Grund dafür ist, dass viele bereits während des Studiums unterrichten und sich dieses deshalb verlängert.
Ein wichtiger Teil meiner Arbeit ist es, die Sitzungen der Arbeitsgruppe zum Lehrpersonenmangel vorzubereiten und zu begleiten. In der Gruppe wird die Situation laufend analysiert, und es werden gemeinsam Massnahmen entwickelt. Eine Massnahme sind die Informationsveranstaltungen zum Quer- oder Wiedereinstieg in den Lehrberuf. Diese Anlässe ermöglichen es Interessierten insbesondere, Fragen zu stellen, die ihnen unter den Nägeln brennen.
Die Arbeitsbelastung war bis nach den Sommerferien aufgrund des Lehrpersonenmangels hoch. Doch dieses Auf und Ab des Aufwands bin ich mir von meinen früheren Tätigkeiten gewohnt. Nach meinem Abschluss am damaligen Lehrerseminar habe ich während fünf Jahren im ganzen Kanton Bern auf der Primar- und Sekundarstufe unterrichtet. Mehr als ein Jahr lang war ich in China als Deutschlehrer tätig. Später habe ich an der Uni Bern Geschichte, Politologie und Soziologie studiert. Während zehn Jahren habe ich bei der Stiftung éducation21 gearbeitet, war beim Staatssekretariat für Wirtschaft und bin vor zwei Jahren zur Bildungs- und Kulturdirektion gestossen.
Neben dem Lehrpersonenmangel beschäftige ich mich unter anderem mit der organisatorischen Eingliederung des Pädagogischen Zentrums für Hören und Sprache in Münchenbuchsee von der Gesundheits- in die Bildungsdirektion. Die Institution sollte ursprünglich privatisiert werden. Der Grosse Rat hat sich jedoch im Juni 2021 dagegen ausgesprochen. Somit wurde aus dem ursprünglichen Ausgliederungsprojekt ein Umgliederungsprojekt. Es müssen juristische Fragen geklärt werden, die Anstellungsbedingungen, und die Organisationsentwicklung ist ebenfalls ein wichtiges Thema.
Erholen kann ich mich mit meiner Familie, beim Velofahren, auf Spaziergängen mit unserem Hund – allgemein in der Natur und beim Pizzabacken. Auch wenn sich die Situation vorerst etwas beruhigt hat: Langweilig wird es mir nicht. Vielmehr werde ich noch stärker an den Massnahmen mitarbeiten, die das Problem des Lehrpersonenmangels langfristig beheben werden.»
Aufgezeichnet von Philippe Blatter
Bild: Adrian Moser