Logo Kanton Bern / Canton de BerneBEinfo - Personalmagazin der bernischen Kantonsverwaltung

Cesar Röthlisberger gibt Gesetzestexten den richtigen Schliff

Cesar Röthlisberger (45) sorgt dafür, dass aus vage formulierten Gesetzesvorhaben präzise und allgemein verständliche Gesetzestexte werden. Im Gespräch reflektiert er den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Recht und entkräftet ein Vorurteil über Juristinnen und Juristen, das sich hartnäckig hält.

«Morgens um 7 Uhr bereite ich das Frühstück für unsere Familie vor – wenn es nicht schon meine Frau gemacht hat. Der Tag beginnt für mich normalerweise aber schon vorher, und zwar mit einer kurzen Yogaübung. Nach dem Familien-Briefing – Wer hat heute welchen Termin? Wer kommt wann nach Hause? – und dem Füttern der Meerschweinchen fliegen wir alle aus. Für mich heisst das: mit dem Velo vom Breitenrain-Quartier hinunter in die Altstadt rollen.

Im Büro checke ich die Mails, priorisiere die Aufträge. Oft erhalte ich kurzfristige Anfragen, die ich fortlaufend erledige, damit die Leute schnell eine Antwort erhalten. Es geht dabei um Rechtsberatung und Rechtsauskünfte. Dazu kommen die täglichen Geschäfte wie Mitberichte, die juristische Begleitung von Projekten oder Mitarbeit in einem kantonalen Gremium. In seltenen Fällen liegt auch eine Beschwerde an den Regierungsrat auf meinem Pult, die immer noch in Papierform eingereicht werden muss.

Ich schätze die offenen Türen im Fachbereich Recht und Führungsunterstützung und den kollegialen Umgang in der Staatskanzlei. So komme ich in Kontakt mit anderen Ämtern und sehe in verschiedene Bereiche und Themen hinein, von der Gleichstellung bis zur Übersetzung. Wenn jemand mit einem rechtlichen Anlegen zu mir kommt, höre ich oft die Worte «Ich habe nur kurz eine Frage» – verbunden mit der Hoffnung auf eine unmittelbare Antwort. Doch dies ist nicht immer möglich. Denn beim zweiten Blick auf das Anliegen zeigt sich häufig dessen Komplexität. Beschaffungsrechtliche Fragen etwa kann ich meist nicht mündlich zwischen Bürotür und Gang beantworten. Ab und zu nehme ich auch Rücksprache mit den Expertinnen und Experten anderer Ämter.

Eine meiner wichtigsten Aufgaben ist das Redigieren von Gesetzen, die in den Aufgabenbereich der Staatskanzlei fallen. Es geht also beispielsweise um die Archivierung, die Digitalisierung oder die Organisation des Regierungsrats und der Verwaltung. Im Normalfall erteilt der Grosse Rat dem Regierungsrat den Auftrag, ein Gesetz auszuarbeiten. In unserem Fachbereich verfügen wir über das Know-how, um einen Gesetzesentwurf zu verfassen. Ich formuliere den Normtext und schreibe den Vortrag dazu. Dieser beinhaltet Erläuterungen und Hintergründe zur Gesetzesvorlage. Anschliessend besprechen wir die Texte im Team. In der Staatskanzlei wird auch überprüft, ob im Gesetzesentwurf die formellen Vorschriften, die sogenannten rechtssetzungstechnischen Richtlinien, erfüllt sind. Schliesslich muss der Staatsschreiber den Entwurf für den weiteren Verlauf des Gesetzgebungsprozesses freigeben.

Beim Verfassen von Gesetzestexten gibt es verschiedene Herausforderungen zu bewältigen. Der politische Auftrag ist meist sehr allgemein und vage formuliert. Das hat damit zu tun, dass es den Politikerinnen und Politikern um eine Problemlösung aus ihrer Sicht geht, nicht um die juristische Genauigkeit. Wichtig ist, dass wir das politische Anliegen richtig erfassen und gleichzeitig die rechtlichen Spielregeln einhalten. Davon hängt ab, ob der Regierungsrat und der Grosse Rat die Vorlage gutheissen und verabschieden. Häufig besteht zu Beginn eines Gesetzgebungsprojekts noch keine klare Vorstellung darüber, wie das politische Anliegen konkret umgesetzt werden soll. Diese Vorstellung versuchen wir in der Vorbereitungsphase des Gesetzgebungsprozesses zu schärfen. Dazu dient auch die Beratung in den Kommissionen, wo Fragen gestellt und allfällige Missverständnisse aufgedeckt werden können. Damit steigt die Chance, dass das Gesetz angenommen wird.

Eine weitere Herausforderung liegt darin, dass sich neue Vorschriften in die Ordnung des bestehenden Rechts einfügen müssen. Die Gesetze sollen sich schliesslich nicht widersprechen. Der Kanton muss ausserdem das Bundesrecht, zum Beispiel das Raumplanungsrecht, respektieren. Wir kontrollieren systematisch, ob es Widersprüche zur bestehenden Rechtsordnung gibt. Von grosser Bedeutung ist auch die Frage, ob der Kanton überhaupt zuständig ist. Bei der grossen Dichte an Vorschriften ist es nicht immer einfach, den Überblick zu behalten.

Die Sprache ist ebenfalls eine Herausforderung. Viele glauben, Juristinnen und Juristen hätten es gerne möglichst kompliziert. In Wahrheit ist das Gegenteil der Fall. Die Schweiz hat eine lange Tradition einer verständlichen Gesetzessprache. Gesetze sind für alle da, also müssen sie auch alle verstehen können. Die Grundregel lautet: Pro Absatz ein Gedanke. Die Sprache soll klar und verständlich sein, ohne Umschweife und Nebensätze. Ein grosser Vorteil des Kantons Bern ist dabei seine Zweisprachigkeit. Denn die Übersetzerinnen und Übersetzer merken sofort, wenn eine Formulierung schwer verständlich ist oder gar nicht das aussagt, was gemeint ist.

Ob ich für meine Arbeit Künstliche Intelligenz nutze? Für Zusammenfassungen von wissenschaftlicher Literatur oder um mir einen Überblick über eine Rechtsfrage zu verschaffen, ist sie hilfreich. Für die Gesetzesredaktion jedoch nicht. Dafür ist die KI zurzeit noch zu wenig auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten. Doch sie wird zweifellos grosse Veränderungen für uns Juristinnen und Juristen mit sich bringen. Denn die Vorteile sind bestechend. Ich bin überzeugt, dass KI Rechtsfragen in Zukunft mit einer hohen Zuverlässigkeit wird beantworten können. Auch beim Redigieren von juristischen Texten wird sie eine grosse Rolle spielen. Die Grenzen für ihren Einsatz im Recht liegen dort, wo eine menschliche Entscheidung gefragt ist. Es darf nicht sein, dass eine rechtliche Entscheidung – beispielsweise ein politischer Beschluss oder ein Gerichtsurteil – allein von einer Maschine gefällt wird und von uns Menschen nicht mehr nachvollzogen werden kann. Am Ende eines Prozesses muss immer ein Mensch stehen, der das letzte Wort hat, nicht die Maschine.»

Aufgezeichnet von Philippe Blatter
Foto: Adrian Moser
Veröffentlicht am 12. November 2025

Seite teilen