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46-mal im Zentrum der Demokratie

Stefan Wyler leitet seit zehn Jahren die Wahl- und Abstimmungszentrale der Staatskanzlei. Die Regierungsrats- und Grossratswahlen vom 27. März sind sein letzter grosser Einsatz. Ende April geht er in Pension. Im Gespräch erzählt er, was sich im Lauf der Zeit verändert hat, warum es keine ungewollten Kandidaturen mehr gibt und was es mit der angeblichen Berner Langsamkeit auf sich hat.

Mitte Januar vermeldete der Kanton Bern einen Rekord: 2214 Personen kandidieren für einen der 160 Sitze im Grossen Rat. Das sind so viele wie nie zuvor. Für Stefan Wyler bedeutet das noch einmal eine Spur mehr Arbeit. Als Leiter politische Rechte in der Staatskanzlei sorgt er seit 2012 dafür, dass Wahlen und Abstimmungen von A bis Z erfolgreich über die Bühne gehen. Die Regierungsratswahlen und Grossratswahlen vom 27. März 2022 sind sein letzter Grosseinsatz, bevor er Ende April in den Ruhestand tritt. Insgesamt wird er die Wahl- und Abstimmungszentrale der Staatskanzlei dann 46-mal geleitet haben, darunter bei drei Gesamterneuerungswahlen für den Regierungsrat und den Grossen Rat. Ins Zentrum möchte er seine Person aber nicht rücken. «Es ist Teamarbeit», betont er.

Sorgfalt ist das oberste Gebot

Wyler ist auch bei seinen letzten Gesamterneuerungswahlen mit Verve bei der Sache. Zu Beginn des Wahljahres stehen jeweils wichtige Aufgaben – zu erreichende Meilensteine – an. Im Januar laufen nämlich die Fristen für das Einreichen und Bereinigen von Wahlvorschlägen und Listenverbindungen ab. Namen, Berufsbezeichnung, Listennummern etc. – alles muss sorgfältig geprüft werden, bevor Anfang März das Wahlmaterial in den Briefkästen der Stimmberechtigten landet. Dabei beginnen die Vorbereitungsarbeiten in der Staatskanzlei schon viel früher, knapp zwei Jahre vor dem Wahltermin. Der umfangreiche Prozess ist in einem detaillierten Terminplan mit Checkliste festgehalten. Das ist nötig, denn bei Wahlen und Abstimmungen ist Präzision das A und O. «Man muss an eine Vielzahl von kleinen Dingen denken», sagt Wyler, «es braucht zahlreiche Absprachen und Abklärungen.»

Der Prozess startete im Sommer 2020 mit der Terminansetzung für die Wahlen. Diese erfolgt durch den Regierungsrat. Mit dem Vorliegen der definitiven Bevölkerungszahlen des Bundesamts für Statistik ist dann die Berechnung der Verteilung der Sitze auf die Wahlkreise möglich. Tatsächlich hat sich im Vergleich zu den Wahlen von vor vier Jahren etwas verändert: So hat der Wahlkreis Biel-Seeland neu einen Sitz mehr und der Verwaltungskreis Thun einen Sitz weniger. Der Bernjurassische Rat wird erstmals in einem einheitlichen Wahlkreis bestimmt. Anders als früher können die Parteien ihre Wahlvorschläge mittlerweile selber mittels Onlineformular eintragen. Doch alle Personen müssen ihre Kandidatur mit einer Unterschrift bestätigen. Diese Vorgabe ist auf einen Fall zurückzuführen, der sich vor vier Jahren ereignete: «Damals wurde eine Liste eingereicht, auf der auch Musiker standen, die von ihrer Kandidatur gar nichts wussten. Das sorgte ziemlich für Unmut», erinnert sich Stefan Wyler. Infolgedessen wurde das Gesetz über die politischen Rechte entsprechend angepasst: ohne Unterschrift keine Kandidatur.

Von der Schulung zur Hauptprobe

In seiner Zeit als Leiter der Wahl- und Abstimmungszentrale ist die Anzahl Kandidierende und Listen stetig gewachsen. «Dies hat nicht unbedingt mit dem Entstehen neuer Parteien zu tun. Denn so wie sich immer wieder Aussenseitergruppen der Wahl stellen, verschwinden andere im Lauf der Zeit wieder von der Bildfläche», sagt Wyler. Es seien vor allem die etablierten Parteien, die zusätzliche Listen einbrächten. Wyler weiss, wovon er spricht, denn vor seiner Anstellung bei der Staatskanzlei hat der ausgebildete Fürsprecher als Leiter des damaligen Ressorts Kanton der Tageszeitung «Der Bund» zahlreiche kantonale Wahlen und Abstimmungen analysiert und darüber berichtet.

Damit die Wahlen reibungslos ablaufen, müssen viele verschiedene Rädchen ineinandergreifen. «In den Stimmausschüssen der Gemeinden stehen mehrere Tausend Personen im Einsatz», gibt Wyler zu bedenken. Dementsprechend gibt es Anleitungen und Hilfsmittel für die Gemeinden und Schulungen für die Regierungsstatthalterämter. Daneben wird ebenso die Software zur Übermittlung der Resultate auf die Probe gestellt. Die Tests sind eine Notwendigkeit, zumal die 338 Berner Gemeinden nicht mit ein und demselben Programm arbeiten. Im Einsatz steht Software von vier verschiedenen Anbietern. Sie werden bezüglich der Schnittstellen zum Kantonssystem Bewas instruiert. Anderthalb Monate vor der Wahl findet dann mit sämtlichen Gemeinden ein grosser Praxistest – analog der Generalprobe im Theater – mit einem fiktiven Wahlresultat statt. Damit die Übung nicht selber zur Fehlerquelle wird, werden Mitte März sämtliche Testdaten gelöscht. Dieser Schritt ist ebenfalls in der Checkliste des Planungsdokuments festgehalten. 

(An)spannung am Wahltag

Der Wahltag ist noch einmal von Hektik geprägt, und es ist Konzentration gefragt. Die Spannung erreicht ihren Höhepunkt am Abend, wenn der Staatsschreiber in der Rathaushalle die Ergebnisse der Regierungsratswahlen offiziell verkündet – eine Berner Tradition, die in dieser Form beibehalten werden soll. Damit der Staatsschreiber auch im Smartphone-Zeitalter den Primeur auf sicher hat, wird die fortlaufende Online-Publikation der Ergebnisse zwischenzeitlich nach neun von zehn Verwaltungskreisen gestoppt. Am Sonntagabend steht dann ebenfalls das provisorische Resultat der Grossratswahlen fest. Zwar können noch Nachmeldungen respektive Korrekturen eintreffen. Das komme jedoch eher selten vor, sagt Wyler. «Weil bei Wahlen alles ein bisschen komplizierter ist, ist vielleicht auch die Konzentration aller Beteiligten etwas höher.» Und was ist dran an der Behauptung, dass der Kanton Bern bei der Bekanntgabe von Wahl- und Abstimmungsergebnissen immer ein wenig spät dran ist? «In den vergangenen Jahren waren die Unterschiede zwischen den grossen Kantonen nicht mehr gross», sagt Stefan Wyler, um gleich anzufügen: «Das Resultat rasch zu haben, ist zwar wichtig, die Sorgfalt bei der Auszählung geht aber vor. Dafür darf man auch eine leichte Verspätung in Kauf nehmen.» Schliesslich wird das definitive Ergebnis der Wahlen im Amtsblatt und auf der Website publiziert.

Früher hat Wyler im Nachgang der Wahlen ausführlichere Statistiken zusammengestellt und Analysen verfasst, die in gedruckter Form erschienen sind. Dieser Service wurde zuletzt ein wenig zurückgefahren. Wylers Bedauern darüber und sein Interesse für die analytische Arbeit sind spürbar. Letzterer wird er ebenfalls nach seiner Pensionierung nachgehen: So wird er an einem Onlinekommentar zum Bundesgesetz über die politischen Rechte mitwirken.

Philippe Blatter

Engagement für die Wahlen – ein Blick hinter die Kulissen

Was motiviert Menschen, in den Wahlkampf zu ziehen? Welche Erfahrungen machen sie dabei? Und was braucht es alles, damit Wahlen reibungslos ablaufen? Kurz nach den kantonalen Wahlen lädt der Kanton ein, hinter die Kulissen zu blicken. Am Donnerstag, 7. April 2022, von 17 bis 19 Uhr, findet im Berner Rathaus ein Anlass mit zahlreichen Gästen und Videobeiträgen statt. Es kommen Menschen zu Wort, die die Wahlen vorbereitet, daran teilgenommen und darüber berichtet haben. Humor hat ebenfalls Platz: Durch den zweisprachigen Anlass, der zudem live gestreamt wird, führt der Kabarettist Carlos Henriquez. 

Weitere Informationen und Anmeldung unter www.polit-forum-bern.ch

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