
Künstliche Intelligenz ist ein wesentlicher Treiber der Digitalisierung. Sie weist viel Innovationspotenzial auf – nicht nur in der Privatwirtschaft. In welchen Bereichen sie in der Kantonsverwaltung aktuell eingesetzt wird und welcher Grundsatz dabei eine zentrale Bedeutung hat.
Künstliche Intelligenz (KI) ist bereits Teil unseres Alltags. Doch oft sind wir uns dessen gar nicht richtig bewusst. Wir kopieren einen Text ins Programm DeepL, um ihn übersetzen zu lassen, entsperren unser Smartphone, indem wir auf das Display schauen, oder erhalten beim Online-Shopping Hinweise auf weitere Artikel, für die wir uns interessieren könnten. Hinter all diesen alltäglichen Anwendungen steckt KI.
Vereinfacht erklärt, geht es bei KI darum, dass Maschinen Muster erkennen und daraus Handlungen ableiten. Sie erbringen damit Intelligenzleistungen, die denjenigen von Menschen ähnlich sind. Die Grundlage für den Einsatz von KI sind Daten, die aus ganz unterschiedlichen Quellen stammen können, beispielsweise von Sensoren. Sie werden gesammelt, analysiert, miteinander verbunden und für neue (Dienst-)Leistungen verwendet. Das Herzstück der KI sind die Algorithmen, die von Menschen programmiert werden. Ein Algorithmus beinhaltet Anweisungen, die ausgeführt werden, um ein Problem zu lösen. So entscheidet beispielsweise ein Algorithmus darüber, welche Ergebnisse wir in welcher Reihenfolge zu sehen bekommen, wenn wir einen Begriff in eine Suchmaschine eingeben.
KI unterstützt bei der Steuerveranlagung, der Verkehrsführung und der Wasserregulierung
Das Potenzial für KI-Anwendungen ist in öffentlichen Verwaltungen besonders gross, weil Informationen und Daten ihr «Betriebskapital» sind. Es ist deshalb wenig überraschend, dass KI in der Kantonsverwaltung schon zum Einsatz kommt. Zum Beispiel bei der Steuerverwaltung: Ein Algorithmus berechnet die Wahrscheinlichkeit, dass ein Steuerdossier korrigiert werden muss. Die Steuerverwaltung entscheidet dann, ob Dossiers, die wahrscheinlich keine Korrektur benötigen, automatisch verarbeitet werden. «Rund 20 Prozent der steuerpflichtigen natürlichen Personen im Kanton werden heute vollständig automatisiert veranlagt», sagt Roberto Capone, Leiter Geschäftsstelle Digitale Verwaltung des Kantons Bern.
Auch beim Verkehrsmanagement Region Bern Nord, bei dem das Tiefbauamt federführend ist, kommt KI zur Anwendung. Bodensensoren sammeln bzw. liefern Daten zum Verkehr, ein Algorithmus berechnet mögliche Szenarien, und darauf basierend wird der Verkehr via Lichtsignalanlagen gelenkt. Damit sollen die Ortszentren von Staus befreit werden und Bus und Postauto möglichst pünktlich unterwegs sein, ohne dass dafür ein Ausbau der Verkehrsinfrastruktur auf den Kantonsstrassen nötig wird. Die Inbetriebnahme des Verkehrsmanagements Region Bern Nord ist in diesem Sommer vorgesehen.
Ebenfalls mit Unterstützung von KI funktioniert die Gewässerregulierung im Kanton: Sensoren liefern hydrologische Echtzeitdaten. Diese werden mit Meteoinformationen – sogenannten Soll-Daten – ergänzt, und ein Algorithmus berechnet mögliche Szenarien für die Regulierung. Das Beispiel der Gewässerregulierung zeigt, dass letztlich immer noch Menschen und nicht Algorithmen die Entscheide treffen. Szenarien werden von Menschen interpretiert, und der Mensch entscheidet, welche Massnahme nötig ist. Capone: «Dieser Grundsatz ist zentral.»
Akzeptanz hängt vom Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger ab
Es ist davon auszugehen, dass KI in Zukunft verstärkt Einzug in der öffentlichen Verwaltung halten wird. Denn Computer werden tendenziell schneller und leistungsfähiger, die Menge der verfügbaren Daten steigt, und die Entwicklung des maschinellen Lernens – der Algorithmus lernt selbständig aus den Daten und erstellt seine Programmierung allein – schreitet voran. In der kantonalen Verwaltung sind die Möglichkeiten jedenfalls noch nicht ausgeschöpft. «Der Kanton Bern setzt heute eine einfache Art von KI ein», sagt Capone und gibt zu bedenken, dass die Verwendung von mehr und komplexerer KI kein Selbstläufer ist. Soll der Automatisierungsgrad erhöht werden, müssen auch die Systeme ausgebaut werden. Es braucht einen kontinuierlichen Betrieb, die Algorithmen sind regelmässig zu trainieren. «KI-Systeme können immer nur so gut sein wie die zum Training benutzten Daten. Durch ihre Fähigkeit zu generalisieren können KI-Systeme auch Eingabedaten verarbeiten, die nicht in den Trainingsdaten vorkommen», erklärt er. Je stärker sich die Eingabedaten jedoch von den Trainingsdaten unterscheiden würden, desto wahrscheinlicher seien Fehlinterpretationen durch das KI-System. «Deshalb setzen wir eher auf klare Regelketten mit ‹sicheren Resultaten› oder auf Szenarien, die menschlich interpretiert werden.»
Hinzu kommt, dass zentrale Fragen bezüglich Transparenz – im Sinne von Nachvollziehbarkeit –, Datenschutz und Datensicherheit geklärt sein müssen. Diese Themen haben gerade für die Verwaltung eine besonders hohe Relevanz. «Die Akzeptanz von KI hängt massgeblich davon ab, wie stark das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Umgang mit ihren Daten ist», sagt Capone. Mit anderen Worten: Die Integrität der Verwaltung punkto Datenschutz und -sicherheit wird beim Einsatz von KI noch wichtiger, als sie es ohnehin schon ist.
Angestellte können sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren
Bei allen Herausforderungen, welche die KI in verschiedenen Bereichen mit sich bringt, sieht Capone vor allem die Chancen: «Die Anforderungen an die Verwaltung sind gewachsen, die Tätigkeiten komplexer geworden. KI ermöglicht eine Unterstützung und Entlastung der Angestellten, sodass sie sich fortan viel besser auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können.» Schliesslich dürfe im Zuge der digitalen Transformation das eigentliche Ziel nicht aus den Augen verloren werden. «Digitalisierung im Allgemeinen und der Einsatz von KI im Besonderen darf nicht Selbstzweck sein. Beides soll in erster Linie einen Mehrwert stiften, und zwar für die Bürgerinnen und Bürger, die Wirtschaft sowie für die Verwaltung.» Es gelte, den Digitalisierungsprozess zu gestalten und wenn nötig zu regulieren. «Wir müssen entscheiden, von welchen Möglichkeiten wir Gebrauch machen und welche wir beiseitelassen wollen.»
Direktions- und ämterübergreifend voneinander lernen
Aktuell ist es wichtig aufzuzeigen, was bezüglich KI – und Digitalisierung allgemein – innerhalb der kantonalen Verwaltung bereits am Laufen ist. Dies ist eine der Aufgaben der Geschäftsstelle Digitale Verwaltung, die vor zwei Jahren neu geschaffen wurde. «Individuelle Initiativen in den Direktionen und Ämtern sind die Basis. Doch wir müssen noch stärker direktions- und ämterübergreifend voneinander lernen und die digitalen Services wenn möglich skalieren», sagt Capone. Dabei hilft unter anderem das sogenannte Data Lab, das beim Amt für Informatik und Organisation angesiedelt ist. Hier geht es darum, Technologien besser kennen zu lernen und neue Erkenntnisse zu gewinnen. Erfolgversprechende Anwendungen aus dem Lab können die Fachbereiche anschliessend weiterverfolgen.
Philippe Blatter