«Wichtiger Meilenstein in der Bekämpfung der Pandemie»

Am 11. Januar wurden im Kanton Bern die ersten Personen gegen das Coronavirus geimpft. Für den erfolgreichen Start brauchte es nicht nur einen verfügbaren Impfstoff, sondern auch zahlreiche Arbeiten im Hintergrund. Frank Neff, Mitglied des Corona-Sonderstabs der GSI und Impfverantwortlicher, erklärt im Interview mit «BEinfo», was hinter dem Grossprojekt Impfung steckt.
Der Impfstart ist geglückt: Waren Sie erleichtert, als es am 11. Januar so weit war?
Dass Personal und Logistik zur geplanten Zeit bereit waren und die Prozesse funktionierten, war eine Meisterleistung aller Beteiligten. Viele Leute haben dafür über die Festtage lange gearbeitet. Der geglückte Start der Registrierung für die Impfung am 8. Januar und der Impfstart am 11. Januar sind wichtige Meilensteine in der Bekämpfung der Pandemie.
Der Aufbau der gesamten Impfogistik war ein Grossprojekt. Wo fängt man da an?
Wir haben im November innerhalb des Gesundheitsdirektion mit der Planung begonnen und ein Konzept erstellt. Wir sind auf die benötigten Leute zugegangen und haben ab Dezember mit der Umsetzung begonnen. Bei einem solchen Projekt müssen ganz unterschiedliche Dinge berücksichtigt werden. Das geht von Personalplanung über Erstellung der Infrastruktur bis hin zur Beschaffung von medizinischem Material und der Verfügbarkeit des Impfstoffs. Ganz zentral ist auch ein IT-Tool, das den Impfprozess abbilden und alle Daten erfassen kann. Es war von Anfang an klar, dass das digital erfolgen muss. Das war im Prozess einer der ersten Schritte.
Womit sind Sie rückblickend besonders zufrieden?
Bei dem IT-Tool konnten wir früh die richtige Projektstruktur aufstellen. Wir haben gute Partner gefunden, die uns zuhörten und unsere Ideen kritisch hinterfragten. So konnten wir rasch in die Umsetzung übergehen. Auch auf Personalebene hat vieles gut funktioniert. Mitarbeitende der Gesundheitsdirektion, die die gewohnten Ansprechpartner für Leistungserbringende wie beispielsweise die Spitäler sind, wurden temporär dem Sonderstab zugeteilt. Dort wurde dann auch ausserhalb der gewohnten Hierarchien gearbeitet. Diese Umstellung war wichtig und ist uns gut gelungen, sodass wir das Projekt mit den Mitarbeitenden der Gesundheitsdirektion umsetzen konnten. Allgemein war es für mich beeindruckend zu sehen, wie viel Energie die Mitarbeitenden eingesetzt haben, um einen Beitrag zum erfolgreichen Aufbau der Impflogistik zu leisten.
Bei dem IT-Tool zur Anmeldung und Dokumentation der Impfungen geht der Kanton Bern einen eigenen Weg und nutzt nicht die Bundeslösung. Warum das?
Das war nicht von Beginn an klar. Als wir im November mit der Planung begonnen haben, war unklar, wie die Lösung des BAG aussehen würde. Da wir das IT-Tool aber von Anfang an als ganz zentralen Aspekt erachteten, entwickelten wir parallel eine eigene Lösung. Diese passte schlussendlich besser zum kantonalen Impfprozess. Denn ein digitales Tool ist nie nur ein Instrument, wo man ein paar Buchstaben eingibt und dann einen Termin erhält. Es ist der Impfprozess, der abgebildet wird und verstanden werden muss. Dort haben wir gemerkt, dass vom Zeitplan her unsere Lösung besser gepasst hat. Klar ist aber, dass wir viel Wert auf gesamtschweizerische Lösungen legen. Deshalb bieten wir den Bernerinnen und Bernern gleich wie bei der Bundeslösung die Möglichkeit, mit myCOVIDvac die Daten langfristig im elektronischen Impfausweis zu hinterlegen.
Was waren für Sie persönlich neue Herausforderungen bei diesem Projekt?
Ich habe noch nie für den Kanton gearbeitet. Das war eine neue Herausforderung. Als externer Mitarbeiter bin ich seit September Mitglied des Corona-Sonderstabs der GSI. Ansonsten arbeite ich im Inselspital als Anästhesist und bin zuständig für die Vorbereitung auf eine ausserordentliche Lage und Chef des Krisenstabs. In der ersten Welle war ich deshalb auch Teil der Corona Task-Force des Inselspitals. Bei Projekten beginnt man immer mit einer Problemerfassung und einer Lagebeurteilung. Diese Lagebeurteilung umfasst beim Kanton andere Unterpunkte als beim Inselspital. Besonders merkt man dies bei den rechtlichen Grundlagen. Bei einem Unternehmen ist dieser Punkt weniger zentral als beim Kanton. Der Kanton hingegen muss mehr rechtliche Grundlagen berücksichtigen und schafft selbst neue rechtliche Grundlagen. Deshalb muss das bei der Beurteilung stärker berücksichtigt werden.
Gab es Dinge, die besser hätten laufen können?
Verbesserungspotential gibt es immer. Was generell bei grösseren Projekten eine Herausforderung darstellt, ist die Umstellung von der Planungs- in die Ausführungsphase. Das liegt aber nicht an den einzelnen Arbeiten, sondern an der Synchronisation aller Aktivitäten. Das hätte man beim Aufbau der Impflogistik noch verbessern können. Früher zu Impfen war aber nie eine Option. Einen reibungslosen Ablauf hätten wir sonst nicht garantieren können.
Viele Personen möchten sich impfen lassen, der Impfstoff ist aber knapp. Wie gehen Sie mit diesem Druck um?
Impfstoff ist ein ganz wichtiges Gut in der Bekämpfung dieser Pandemie. Es ist klar, dass es im Moment noch ein Missverhältnis gibt zwischen denjenigen, die sich impfen lassen wollen und denjenigen, die können. Das BAG hat hierzu eine klare Impfstrategie aufgestellt. In dieser wurde die Abfolge der Impfgruppen, die wir auch im Kanton umsetzen, festgelegt. Diese Impfgruppen geben vor, wer wann geimpft wird.
Gibt es eine Empfehlung für Kantonsangestellte sich zu impfen?
Es gibt für niemandem im Kanton Bern eine Empfehlung sich zu impfen. Das ist letztlich eine persönliche Entscheidung. Was wir aber empfehlen: Informieren Sie sich und nutzen Sie dazu Informationen von offiziellen und glaubwürdigen Quellen. Leider kursieren auch viele irreführende Informationen, bei denen wir befürchten, dass sie zu viel Gewicht bekommen. Wer sich für eine Impfung entscheidet, kann sich registrieren und sobald die entsprechende Impfgruppe freigegeben ist, einen Termin buchen. Wir bitten darum, gebuchte Termine wahrzunehmen, damit der Impfstoff so effizient wie möglich verteilt werden kann.
Sie sind noch bis März für die Impfung im Kanton Bern verantwortlich, danach gehen Sie zurück zum Inselspital; Eine neue Person wird sich für den Kanton ums Impfen kümmern. Was bedeutet das für Sie?
Es war bereits zu Beginn klar, dass meine Tätigkeit im Corona-Sonderstab auf sechs Monate begrenzt ist. Deshalb haben wir auch die Stelle für eine/n Impfverantwortliche/n im Dezember ausgeschrieben. Das war eine vorausschauende Planung, so dass idealerweise noch eine Überlappungszeit zwischen mir und der neu verantwortlichen Person besteht. Mit dem Start der Impfung haben wir einen wichtigen Meilenstein erreicht. Das Projekt ist aber natürlich längerfristig angelegt. Bis im Sommer möchten wir alle Impfwilligen Personen den Zugang zu einer Impfung ermöglicht haben.
Alissa Hänggeli