Logo Kanton Bern / Canton de BerneBEinfo - Personalmagazin der bernischen Kantonsverwaltung

«Auch der Kanton Bern ist vom Fachkräftemangel betroffen»

Finanzdirektorin Astrid Bärtschi ist auch oberste Personalchefin des Kantons. Im «BEinfo»-Interview steht sie Red und Antwort zu brennenden personalpolitischen Themen wie Fachkräftemangel, Rezession, Lohn, Arbeitszeit und dem Büro der Zukunft.

Frau Bärtschi: Sie sind seit bald einem Jahr Finanzdirektorin und damit auch oberste Personalchefin des Kantons. Welche Themen liegen Ihnen besonders am Herzen?

Mir ist in erster Linie wichtig, dass der Kanton Bern ein guter und attraktiver Arbeitgeber ist. Mir ist aber auch wichtig, das teils kursierende, aber falsche Bild der behäbigen Staatsangestellten zu widerlegen. Ich nehme die Verwaltung als sehr aktiv und modern wahr. Hier ist es wichtig, dass wir als Kanton jene Leute haben können, die uns weiterbringen. Und dafür muss der Arbeitgeber Kanton Bern auch etwas tun. Mir sind auch die Lernenden sehr wichtig. Als ich frisch im Amt war, war ich an der Lehrabschlussfeier der Lernenden mit sehr gutem Abschluss. Ich war beeindruckt, wie unglaublich viele unterschiedliche Lehrstellenprofile es im Kanton Bern gibt!

 

Wie für andere Arbeitgeber ist es auch für den Kanton Bern zurzeit nicht einfach, die gewünschten Fachkräfte zu rekrutieren. Inwiefern spürt der Kanton den Fachkräftemangel?

Auch der Kanton Bern ist vom Fachkräftemangel betroffen. Wir haben gegenüber 2019 im Jahr 2022 rund 20 Prozent mehr Stelleninserate publiziert. Das zeigt, dass deutlich mehr Stellen offen sind als noch vor ein paar Jahren. Während Corona ging die Fluktuation, die im Kanton Bern generell nicht so hoch ist, zurück. Heute stellen wir fest, dass gewisse Stellen sehr schwer zu besetzen sind. Vor allem Stellen mit Spezialwissen wie Ingenieure oder im IT-Bereich.

Was macht der Kanton, um zu diesen Fachkräften zu kommen?

Der Kanton Bern hat attraktive Arbeitsbedingungen wie Homeoffice-Regelungen, flexible Arbeitszeiten, mobiles Arbeiten, Teilzeitarbeit. Wir bieten zudem sinnhafte Arbeitsinhalte an. Der Kanton Bern hat im Bereich des «employer brandings» investiert und ist heute auf LinkedIn etc. präsent. Da können wir zeigen, dass der Kanton Bern ein attraktiver Arbeitgeber ist.

In Bern ist es für eine Verwaltung schwierig, mit der Konkurrenz mitzuhalten. Die Eidgenossenschaft etwa zahlt höhere Löhne. Wie beurteilen Sie diese Situation?

Der Lohn ist ein wichtiges Kriterium, andere Kriterien sind aber ebenso wichtig. Wir stellen beispielsweise fest, dass jüngere Personen die Vereinbarkeit von Familie und Arbeit hoch gewichten. Hier hat der Kanton schon viel unternommen, was eventuell die teilweise weniger hohen Löhne aufzuwiegen vermag.

Auch auf politischer Ebene laufen Diskussionen, um den Arbeitgeber Kanton Bern attraktiver zu machen. Was halten Sie vom Vorstoss, der vier Stunden weniger Arbeit bei gleichem Lohn vorsieht?

Es gibt da einiges, das man berücksichtigen muss. Wir haben eine Vielzahl an verschiedenen Jobs im Kanton Bern. In manchen Berufen müssen wir einen 24-Stunden-Betrieb sicherstellen, etwa bei der Polizei. Da kann man nicht einfach weniger arbeiten. Wir müssen uns also überlegen: Hilft diese Änderung, weil es attraktiv ist, vier Stunden weniger pro Woche zu arbeiten? Oder verschärft sie die Situation, weil noch mehr Menschen angestellt werden müssen, um den 24-Stunden-Betrieb sicherstellen zu können, diese Personen aber nicht gefunden werden können? Und – ich bin ja auch Finanzdirektorin – es wird auch die finanzielle Frage hinzukommen.

Im Kanton Zürich geht man noch weiter und prüft die Einführung einer Viertagewoche zu gleichem Lohn.

Hier gelten dieselben Fragen wie bei der Reduktion der Wochenarbeitszeit um vier Stunden. Wir müssen uns aber bei solchen Massnahmen auch überlegen, was wir bei der Wirtschaft damit auslösen. Ich höre immer wieder von KMUs: Ihr bietet euren Mitarbeitenden viel, da können wir nicht mithalten. Wenn wir mit einem solchen Modell vorausgingen, müsste die Wirtschaft nachziehen, weil sie sonst nicht mehr zu ihren Fachkräften käme.

Das Lohnsystem wird ebenfalls hinterfragt. Ein Vorstoss verlangt, dass Jüngere mehr Lohn erhalten, ältere weniger. Eine gute Idee?

Grundsätzlich ist wichtig, dass alle marktgerecht entlöhnt sind. In unserem Lohnsystem ist es tatsächlich so, dass die Erfahrung über das Alter abgegolten wird. Das ist sicher nicht mehr nur zeitgemäss. Im Bereich der neuen Technologien etwa bringen jüngere Mitarbeitende zum Teil viel mehr Erfahrung mit als ältere. Deshalb sollte das Alter einen nicht zu grossen Einfluss auf die Entlöhnung haben. Im Rahmen der Umsetzung dieses Vorstosses werden wir sicher schauen, dass wir die Lohnentwicklung der jüngeren Mitarbeitenden verbessern können. Da gibt es noch Potenzial.

Berner Personalverbände verlangen in einer Petition bessere Lohnmassnahmen für das Kantonspersonal im Jahr 2024: einen Teuerungsausgleich von 3 Prozent sowie eine Lohnerhöhung von 1,5 Prozent. Wie realistisch ist das?

Der Regierungsrat ist sich sehr wohl bewusst, dass mit dem 2022 gewährten Teuerungsausgleich nicht die effektive Teuerung ausgeglichen werden konnte. Allerdings dürfen bei dieser Diskussion die individuellen Lohnmassnahmen nicht ganz vergessen gehen. Die nun geforderten 3 Prozent Teuerungsausgleich dürften schwierig umzusetzen sein. Wir werden diese Forderung im Regierungsrat aber eingehend prüfen und diskutieren.

Die Kantonsmitarbeitenden sagten in der Personalbefragung, dass sie sich häufiger überlastet fühlen als noch ein paar Jahre zuvor. Wie erklären Sie sich dies?

Das hat sicher ein Stück weit mit Corona zu tun, doch wir dürfen nicht alles darauf abschieben. Wir hatten auch Grossprojekte, wie zum Beispiel die SAP-Einführung, die sehr viele Mitarbeitende beansprucht haben. Allgemein stelle ich fest: Die Aufgaben nehmen stetig zu. Das hat teils damit zu tun, dass die Bevölkerung wächst und damit Dienstleistungen für mehr Leute angeboten werden müssen, beispielsweise bei der Steuerverwaltung. Sie muss immer mehr Steuererklärungen bearbeiten bei gleichbleibendem Personalbestand. Ein gewisser Teil davon kann mit der Anpassung der Prozesse und der Digitalisierung aufgefangen werden, doch das hat auch Grenzen.

Der Regierungsrat setzt auf Digitalisierung. Inwiefern verändert dies die Arbeit der Kantonsangestellten?

Es ist nicht nur der einzelne Arbeitsschritt, der sich verändert. Ganze Prozesse müssen neu aufgesetzt werden. Das ist man sich manchmal zu wenig bewusst.

Zur Zufriedenheit der Mitarbeitenden trägt auch der Arbeitsplatz als solcher bei. Welche Schritte unternimmt der Kanton Bern in Richtung «Arbeitsplatz der Zukunft»?

Es gibt diverse politische Vorstösse, die fordern, dass der Kanton eine Immobilienstrategie ausarbeitet und auch Räumlichkeiten ausserhalb der Städte sucht. Der Regierungsrat hat sich dafür ausgesprochen zu prüfen, wo die Verwaltung sinnvollerweise sein könnte. Wir stellen uns auch Fragen zur Arbeitsplatzausgestaltung. Viele Kantonsmitarbeitende nutzen die Möglichkeit von Homeoffice, das hat auch Auswirkungen auf die Arbeitsplatzsituation. Hierzu waren die Befunde in der Personalbefragung spannend: Jüngere, die das vielleicht schon kannten, zeigten sich eher bereit, auf einen eigenen Arbeitsplatz zu verzichten und diesen mit anderen zu teilen. Ältere Mitarbeitende befürworteten dies weniger. Ich denke, es ist wichtig, auch in Zukunft auf die unterschiedlichen Bedürfnisse einzugehen und den Kantonsmitarbeitenden eine Arbeitsplatzsituation zu bieten, in welcher sie sich wohlfühlen und in der sie sich auf ihre Arbeit konzentrieren können. Und das ist eben immer auch individuell.

Interview: Catherine Arber

Seite teilen