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Wie entwickeln sich die neuen Schreibweisen in der kantonalen Verwaltung?

Wer in der kantonalen Verwaltung einen Text verfasst, wird mit den Feinheiten der Sprache konfrontiert. Doch angesichts der gesellschaftlichen Aufforderungen, gendergerecht oder in Leichter Sprache zu schreiben, ist es manchmal kompliziert, die Erwartungen der einen und der anderen in Bezug auf Sprache und Inklusion miteinander in Einklang zu bringen. «BEinfo» hat mit Donatella Pulitano, Leiterin der Zentralen Sprachdienste, gesprochen, um herauszufinden, wie sich der Kanton zu diesen Themen positioniert und welche Instrumente zur Verfügung stehen, um die Arbeit des Kantonspersonals zu erleichtern.

Inklusive Sprache, Leichte Sprache – die Forderungen, so oder so zu schreiben, werden immer zahlreicher. Entwickelt sich die Sprache schneller als früher?

Ich würde nicht sagen, dass sie sich schneller entwickelt, aber man achtet eher auf die unterschiedlichen Empfindlichkeiten. Obwohl Sprache ein Fachgebiet wie Medizin oder Mechanik ist, sind Diskussionen über Sprache nicht nur Fachleuten vorbehalten, und jede und jeder fühlt sich kompetent, Stellung zu beziehen, da die Sprache allen gehört. So wird es immer mehr zu einer politischen Frage, wie man zu einer bestimmten Schreibweise steht. Dennoch kann man feststellen, dass sich viele Sprachen in Richtung Inklusion entwickeln, sei es typografisch, lexikalisch oder syntaktisch.

Wie steht der Kanton zur inklusiven Sprache, zur Leichten Sprache bzw. zum «FALC» (français facile à lire et à comprendre)?

Die kantonale Verwaltung des Kantons Bern war eine Pionierin in Bezug auf die geschlechtergerechte Sprache. Seit 1992 gibt es redaktionelle Richtlinien für Erlasse, die auf die Einbeziehung von Frauen abzielen. Für andere Texte gibt es keine verbindlichen Regeln. Das Ziel der Zentralen Sprachdienste ist es vor allem, die Redakteurinnen und Redakteure für die Thematik zu sensibilisieren und die gendergerechte Sprache zu veranschaulichen. Diese Regeln und Ratschläge finden sich für die deutsche Sprache im Intranet der Staatskanzlei unter «Dienstleistungen für DIR & STA» in der Rubrik  «Sprache» und für die französische Sprache im Sprachleitfaden «Guide de rédaction et outils d’aide à la rédaction», der in den letzten Jahren erstellt wurde und sich auf der französischen Intranetseite der STA unter «Prestations pour les DIR et la CHA» findet. Dabei geht es nicht darum, jedes männliche Wort mit seinem weiblichen Pendant zu verdoppeln, sondern, das Verfassen von Texten mit einem Vokabular aus neutralen Wörtern oder inklusiveren Wendungen zu erweitern. Letztendlich sollte dies zu einer Schreibgewohnheit werden und nicht nur zu einem Zwang, den man erst am Ende des Schreibprozesses betrachtet.

Die Leichte Sprache, also eine leicht lesbare und verständliche Sprache, ist eine Sprache, die Menschen mit Leseschwierigkeiten das Verständnis erleichtert. Sie ermöglicht ihnen einen leichteren Zugang zu den im Text enthaltenen Informationen. Der Kanton hat die Pflicht, klar zu kommunizieren, und muss darauf achten, dass er keinen Teil der Bürgerinnen und Bürger ausschliesst, insbesondere wenn es um die Vermittlung von Informationen geht, die den Alltag der Berner Bevölkerung betreffen (Steuern, Versicherungen, Gesundheit usw.). In der Praxis zeichnet sich die Leichte Sprache durch einfache, kurze Sätze ohne komplexe Syntax oder Typografie aus, die zusätzliche Schwierigkeiten bereiten könnten. Auch Bilder sind eine gute Unterstützung, um das Verständnis eines Textes zu erleichtern.

Im Deutschen gibt es neben der «Leichten Sprache» auch die «einfache Sprache». Letztere zielt auf ein allgemein verständlicheres Schreiben ab und unterliegt weniger verbindlichen Regeln als die Leichte Sprache. Wenn man in einfacher Sprache schreibt, sollte man also auch bei Menschen ohne besondere Leseschwierigkeiten auf sogenannte Schachtelsätze verzichten.

Wie stellt sich der Kanton die Einführung von Leichter Sprache vor, und wie weit ist der Prozess fortgeschritten?

Wir sind dabei, die Einführung dieser neuen Dienstleistung für die Bevölkerung vorzubereiten. In einem ersten Schritt werden wir einige Webseiten der kantonalen Verwaltung übersetzen lassen. Die Seiten mit grundlegenden Informationen zum täglichen Leben werden die ersten sein, die in Leichter Sprache angeboten werden. Zum Beispiel: Informationen über Prämienverbilligungen bei der Krankenversicherung. Parallel dazu denken wir darüber nach, ob wir auch Medienmitteilungen in Leichter Sprache verfassen müssen. Dabei geht es nicht nur darum, sprachliche Vereinfachungen zu verwenden. Die Übersetzung in Leichte Sprache verfügt wie die «klassische» Übersetzung über Techniken, um den Ausgangstext so genau wie möglich wiederzugeben. Um dies zu erreichen, arbeiten wir mit Übersetzerinnen und Übersetzern zusammen, die sich auf dieses Fachgebiet spezialisiert haben.

Wie lassen sich inklusive Sprache und Leichte Sprache vereinbaren?

Die beiden Sprachen befinden sich nicht auf derselben Inklusionsebene und verfolgen nicht denselben Zweck. Das Zielpublikum von Leichter Sprache soll auf möglichst einfache und klare Weise Zugang zu einer Information erhalten. Die inklusive Sprache ihrerseits bringt eine zusätzliche Dimension der Repräsentativität mit sich. Sie können miteinander vereinbart werden, aber nicht auf Kosten der Verständlichkeit, sondern die Klarheit muss Vorrang haben. Ich würde sagen, dass sich diese beiden Instrumente im Bestreben ergänzen, möglichst viele Menschen in die Kommunikation der Kantonsverwaltung einzubeziehen.

Welche Instrumente stehen dem Kantonspersonal zur Verfügung?

Unser Ziel als für Sprach-, Übersetzungs- und Terminologiefragen zuständige Stelle ist es vor allem, dafür zu sorgen, dass jede Person das nötige Rüstzeug  erhält, um einheitlich nach den redaktionellen Richtlinien der kantonalen Verwaltung zu schreiben. Um diese festzulegen, haben wir den Redaktionsleitfaden der kantonalen Verwaltung des Kantons Bern entwickelt. Er ist online  zugänglich und erläutert anhand von Beispielen die bernischen Redaktionsrichtlinien im Detail. Dieser Leitfaden wurde von den Sprachdiensten der Direktionen und der Staatskanzlei für das Verwaltungspersonal ausgearbeitet. Wenn eine Entscheidung über die Schreibweise eines bestimmten Fachworts statt einer anderen getroffen werden musste, wurde dies nach einer Konsultation entschieden. Für die deutsche Sprache haben wir seit einiger Zeit ebenfalls einen Leitfaden für die schriftliche Kommunikation und eine Intranetseite, die Sprachfragen gewidmet ist.

Zusätzlich zu diesen Instrumenten stehen die Zentralen Sprachdienste der Staatskanzlei und die Sprachdienste der Direktionen der Kantonsverwaltung bei Fragen selbstverständlich jederzeit zur Verfügung.

Interview: Luca Longo

Foto: Adrian Moser

Veröffentlicht am 29.6.2023

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