Logo Kanton Bern / Canton de BerneBEinfo - Personalmagazin der bernischen Kantonsverwaltung

«E-Voting ist wieder am Kommen»

Die Steuererklärung ausfüllen, Rechnungen bezahlen oder einen neuen Ausweis beantragen: Immer mehr Dinge erledigen wir bequem per Handy oder am Computer. Anders sieht es bei den politischen Rechten aus: Beim Abstimmen, Wählen oder Unterschriftensammeln ist in der Schweiz immer noch Papier Trumpf. Warum ist das so? Und wo steht der Kanton Bern? Moritz Zaugg, Leiter politische Rechte, liefert Antworten.

Moritz Zaugg, während unsere Welt immer digitaler wird, stimmen und wählen wir immer noch wie vor Jahrzehnten an der Urne oder per Post. Weshalb geht es in der Schweiz bei der Digitalisierung der politischen Rechte nur schleppend voran?

Dafür gibt es verschiedene Gründe. Beim elektronischen Abstimmen, dem E-Voting, gibt es viele Beteiligte. Dazu gehören drei Staatsebenen: Um E-Voting flächendeckend einzuführen, müssen Bund, Kantone und die Gemeinden mitmachen. Dann gibt es gesetzlich verpflichtende Papierprozesse, die wir anpassen müssen. Schliesslich schaffen wir mit E-Voting oder E-Collecting zusätzliche Möglichkeiten bei den politischen Rechten, die auch zusätzliche Kosten verursachen. Das ist weniger attraktiv als in anderen Bereichen, wo die Digitalisierung Kosten spart.

Der Kanton Bern hat 2012 E-Voting für Auslandschweizerinnen und -schweizer eingeführt. Dieses Angebot wurde Anfang der Zwanzigerjahre wieder gestoppt. Warum?

Der wichtigste Grund war, dass der Kanton Genf die E-Voting-Plattform nicht mehr weiterbetreiben wollte, die auch der Kanton Bern genutzt hat. Ausschlaggebend dafür waren vor allem die hohen Kosten. Heute gibt es in der Schweiz nur noch das E-Voting-System der Post. Für die Kantone ist es schlicht zu teuer und aufwändig, eine eigene Lösung zu entwickeln.

Wie steht es mit der Einführung von E-Voting in der Schweiz?

E-Voting ist wieder am Kommen. In der Pionierphase in den Nullerjahren haben mehrere Kantone eigene E-Voting-Systeme eingeführt, wie beispielsweise Genf und Zürich. In den Zehnerjahren haben bis zu 14 Kantone E-Voting angeboten. Nach dem Neustart 2022 sind es aktuell wieder vier Kantone: Basel-Stadt, St. Gallen, Thurgau und Graubünden. Thurgau bietet E-Voting nur für Auslandschweizerinnen und -schweizer an. Basel-Stadt bezieht auch Menschen mit Beeinträchtigungen ein, namentlich Sehbehinderte. Und St. Gallen erweitert das System schon jetzt recht stark für Gemeindeabstimmungen. 

…und wie ist der Kanton Bern derzeit unterwegs?

Der Kanton Bern gehört nicht zu den Vorreitern. Das ist derzeit der Kanton St. Gallen. Wir sind aber auch nicht das Schlusslicht, sondern bewegen uns irgendwo in der Mitte. Wir erarbeiten momentan eine Studie zu E-Voting. Sie wird dem Regierungsrat in der zweiten Jahreshälfte vorgelegt. Ursprünglich gingen wir davon aus, dass wir E-Voting bis 2027 wieder einführen könnten. Nun sieht es eher danach aus, dass der früheste Termin 2028 sein könnte – zunächst wieder für Auslandschweizerinnen und -schweizer. Letztendlich hängt das «ob» bzw. das «wann» von E-Voting im Kanton Bern von den Entscheiden des Regierungsrats und des Grossen Rates ab. Finanzpolitische Überlegungen dürften dabei eine wichtige Rolle spielen. Sofern der politische Wille vorhanden ist, soll das System dann aber möglichst rasch für die gesamte Bevölkerung verfügbar gemacht werden.

Werde ich dann gezwungen sein, per E-Voting abzustimmen?

Nein, ganz sicher nicht. E-Voting soll kein Zwang sein, sondern einfach ein weiterer Kanal für die Stimmabgabe. Das Abstimmen und Wählen an der Urne oder per Post ist weiterhin möglich.

Wird es künftig auch möglich sein, dass ich auf den Papierversand der Abstimmungs- und Wahlunterlagen verzichten kann? Die sind ja schon heute weitgehend elektronisch verfügbar.

Es gibt dazu einen Vorstoss im Grossen Rat, zu dem wir einen Bericht verfasst haben. Der Vorstoss verlangt, dass die Bürgerinnen und Bürger auf die Zustellung des Abstimmungsmaterials per Post verzichten können. Dafür müssten wir beim Kanton eine entsprechende Rechtsgrundlage schaffen. Dann könnten die Gemeinden selbst entscheiden, ob sie ihren Bürgerinnen und Bürgern eine Abmeldemöglichkeit für die Unterlagen anbieten wollen oder nicht. Allerdings würden Stimm- und Wahlzettel sowie der Stimmrechtsausweis vorderhand weiterhin per Post verschickt.

Besonders gross ist die Papierflut beim Werbematerial für die Wahlen…

Im Bericht an den Grossen Rat erörtert der Regierungsrat die Möglichkeit, auf den Versand von Werbematerial bei Wahlen zu verzichten. So könnte der Kanton rund 200'000 Franken pro Jahr sparen, die er den Gemeinden für den Versand bezahlt. Noch ist aber offen, ob der Grosse Rat wirklich auf das Verschicken der Wahlwerbung verzichten will.

Ein Thema bei der Digitalisierung der politischen Rechte ist auch das E-Collecting, das elektronische Sammeln von Unterschriften für Initiativen und Referenden. Wo liegen dort die Herausforderungen?

Grundsätzlich bringt E-Collecting einige Vorteile. Das Sammeln von Unterschriften wird einfacher, indem Volksbegehren digital beworben und unterstützt werden können. Zudem nimmt bei den Gemeinden der Prüfaufwand ab. Allerdings wissen wir nicht, wie oft diese neue Möglichkeit dann von den Komitees und der Bevölkerung tatsächlich genutzt wird. Das hängt wohl auch davon ab, wie einfach der Zugang zu einer E-Collecting-Plattform sein wird. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass E-Collecting zu einer deutlichen Zunahme von Initiativen und Referenden führen wird. Deshalb schlägt der Regierungsrat vorerst eine Pilotphase für E-Collecting vor. Die meisten Stimmrechtsbescheinigungen führen die Gemeinden übrigens wegen Initiativen und Referenden des Bundes durch. Der Bund müsste also langfristig ins Boot geholt werden, um die Gemeinden umfassend zu entlasten. 

Gibt es fürs E-Collecting ebenfalls eine Standardlösung wie jene der Post beim E-Voting?

Nein, die gibt es nicht. Der einzige Kanton, der E-Collecting einführt, ist nächstes Jahr St. Gallen. Er wird dafür ein System beschaffen. Ob dieses auch für den Kanton Bern geeignet wäre, werden wir prüfen.

Was sind nun die nächsten Schritte im Kanton Bern bezüglich E-Voting und E-Collecting?

Wir machen zwar kleine Schritte, aber langfristig doch bedeutende. Im Herbst sind zwei Berichte im Grossen Rat, zum Informationsmaterial und zum E-Collecting. Aus der Diskussion erhoffen wir uns Signale zum weiteren Vorgehen. Der Regierungsrat will bis Ende Jahr entscheiden, ob er E-Voting oder E-Collecting bevorzugen will. Es braucht eine Priorisierung. Denn die Digitalisierung der politischen Rechte ist – wie bereits gesagt – mit erheblichen Kosten verbunden. 

Interview: Manuel Schär
Bild: KomBE
Veröffentlicht am 15.8 2024

Seite teilen