
Präzision ist ihre Leidenschaft. Mit ihrer Arbeit bringt Donatella Pulitano (58) Ordnung in die Welt der Fachbegriffe. Als Terminologin lässt sie nicht locker, bis sie eine trennscharfe Definition findet – auch wenn es dabei hin und wieder zu amüsanten Telefongesprächen mit Fischzüchtern kommt.
«Um 7 Uhr bin ich noch im Zug von Baden nach Bern – irgendwo in, um oder knapp nach Olten. Ich lese Zeitung, schlafe fertig und stelle mich auf den Tag ein. In der Staatskanzlei angekommen, startet mein Tag meist mit dem Beantworten von E-Mails. Der Rest verändert sich von Tag zu Tag, weil ich in meiner Rolle ganz verschiedene Hüte trage.
Einerseits beschäftigt sich mein Team mit klassischer Terminologiearbeit. Das heisst, wir halten unterschiedliche Benennungen für eine Sache fest und definieren Fachbegriffe, damit alle dasselbe darunter verstehen. Konkret bedeutet das: Wir pflegen unsere Datenbank LINGUA-PC und füttern sie mit neuen Fachwörtern, beantworten Anfragen, wie man etwas korrekt benennt, oder geben Ratschläge zur korrekten Schreibweise von Benennungen. Andererseits nimmt die Arbeit mit Sprachtechnologien einen grossen Anteil meines Alltags ein. Sprich, wir kümmern uns darum, dass die Sprachtools funktionieren, welche die Übersetzerinnen und Übersetzer täglich nutzen.
Seit August letzten Jahres leite ich neben dem Terminologiedienst auch die Zentralen Sprachdienste und habe da diverse Führungsaufgaben. Weiter bin ich in diversen Gremien tätig, sei dies für die Redaktionskommission des Grossen Rates oder auf nationaler und internationaler Ebene, wie etwa für den Rat für Deutschsprachige Terminologie.
Diese verschiedenen Aufgaben bringen eine grosse Vielseitigkeit mit sich, und das macht den Beruf für mich so interessant. An einem Tag allein hüpfst du vom Thema Bienensterben über Kieselsteinbenennungen bis hin zu Finanzbegriffen. Selbst wenn ein Thema mal weniger reizvoll ist, kommt wieder etwas Neues, in das man sich einlesen kann und dabei auch viel lernt. Spannend daran ist, dass man bei der Recherche in Kontakt mit verschiedensten Menschen kommt. Denn teilweise sind die Fachbereiche so spezifisch, dass man im Internet keine präzisen Definitionselemente findet. Da ist es einfacher, den Hörer in die Hand zu nehmen und bei Leuten an der Quelle nachzufragen. Einmal bin ich wegen einer Recherche etwa bei einem Fischzüchter gelandet. Und als es noch kein Internet gab, mussten wir für ein Jahrmarkt-Reglement die Namen von verschiedenen Attraktionen übersetzen – «Hau den Lukas» zum Beispiel, das gab ziemlich lustige Telefongespräche mit französischen Jahrmarktfahrern.
In all den Jahren, in denen ich hier bin, ist das Verständnis für unser Handwerk gestiegen; immer mehr Leute wissen, dass es eine Terminologiedatenbank gibt. Und sie merken auch, dass es nicht darum geht, pedantisch auf Begriffen herumzureiten, sondern dass die Terminologie ein Hilfsmittel ist, um Missverständnissen vorzubeugen und für einheitliche Kommunikation zu sorgen. Eine Beschwerde ist beispielsweise nicht dasselbe wie eine Einsprache – letztlich geht es bei vielen Fragen auch um Rechtssicherheit.
Zu sagen, dass der Beruf mein Hobby ist, wie mein Mann immer findet, ist vielleicht etwas hoch gegriffen. Aber ich komme wirklich gerne zur Arbeit. Sonst würde ich es mir nicht schon seit 30 Jahren antun, täglich von Baden nach Bern zu fahren. Wenn ich aber nicht gerade am Arbeiten bin, singe ich in einem Chor und nehme Gesangsstunden. Ich gehe gerne ins Kino oder ins Ballett.
Immer am Donnerstag unterrichte ich, neben meinem Job hier, an der Uni Genf. Dort bin ich Lehrbeauftragte für Terminologiearbeit und Tools. In diesen Vorlesungen beschäftigen sich die Studierenden damit, was Terminologie alles beinhaltet: Das geht vom Pflegen von Datenbanken über die Evaluation von Software bis zum Einsatz der Tools in der Praxis. Dank dieser Lehrtätigkeit bin ich auch bei Forschungsprojekten involviert, bin Teil von Fachgremien und halte teilweise selbst Vorträge. Von diesem Netzwerk kann ich auch hier profitieren: so konnte ich schon mehrere Ideen aufgreifen und neue Funktionen in unseren Tools beim Kanton Bern umsetzen.
Ein heiss diskutiertes Thema ist in der Fachwelt zurzeit die maschinelle Übersetzung, zum Beispiel mit DeepL, das viele kennen. Neue Technologien bringen immer Ängste um das Berufsbild mit sich, aber man muss auch sehen: Terminologie, Übersetzung und Technologie waren schon immer eng verbandelt. Beim Übersetzen erlauben Tools einem mehr Zeit, an Finessen zu feilen. Sie sind und werden aber auch in Zukunft vor allem Hilfsmittel bleiben. Denn oft sind sie zu wenig genau, und ihnen fehlt der bernspezifische Wortschatz: Der Staatsschreiber ist kein Kanzler und der Grosse Rat ist nicht der Kantonsrat. Wir übersetzen vielfach politisch heikle Themen, parlamentarische Vorstösse oder Berichte, bei denen jedes Wort in die Waagschale gelegt werden muss. So schnell geht uns die Arbeit also nicht aus!»
Aufgezeichnet von Fabian Kleemann